Annika Schleu scheitert im Modernen Fünfkampf

Es waren dramatische Szenen, die sich am heutigen Tag im Tokyo Stadium ereigneten. Nach den Disziplinen Fechten und Schwimmen lag die deutsche Moderne Fünfkämpferin Annika Schleu deutlich in Führung, die Goldmedaille war zum Greifen nah. Doch im Reiten endeten alle ihre Träume. Denn die Regeln schreiben vor, dass die Pferde den Athleten zugelost werden und nur 20 Minuten Eingewöhnungszeit zulässig sind. Danach muss ein Springparcours mit 12 Hindernissen bewältigt werden. Als Gesamtführende durfte Schleu als erste ihr Los ziehen – das Ergebnis: Saint Boy. Jedes Pferd wurde zwei Starterinnen zugeteilt, auch Gulnaz Gubaydullina aus Russland ereilte dasselbe Schicksal. Als sie auf die Strecke ging, wurde klar, dass Annika Schleu kein leichtes Los gezogen hatte. Nach einem schwierigen und misslungenen Ritt schied Gubaydullina aus, war nicht in der Lage, das Pferd zu beherrschen.

Als Annika Schleu als letzte Athletin in die Arena ritt, war ihr die Verzweiflung anzusehen. Schon vor ihrem Start rannen Tränen über ihr Gesicht, sie hatte keine Chance gegen Saint Boy. Mit vier Verweigerungen schied sie vorzeitig aus und erhielt im Reiten keine Punkte, wodurch sie mit einem Rückstand von 4:29 Minuten auf die abschließende, 3200m lange Laufstrecke gehen musste. Nach einem trotz allem guten Rennen kam sie an 31. Stelle ans Ziel – eine große Enttäuschung, da die Medaille fast schon sicher war.

Auch in ihrer Mannschaft kam Unmut auf. Lena Schöneborn, Olympiasiegerin von 2008, zeigte ihr Mitgefühl: 2016 gingen auch ihre Hoffnungen auf eine Medaille aufgrund Lospech im Reiten verloren. „Ich denke, niemand kann sich so gut in sie hineinversetzen wie ich“, sagte sie am ARD-Mikrofon, „mit jeder noch so schlechten Punktzahl hätte sie Gold sicher gehabt“.

Dass Annika Schleu nach dem ersten Auftritt von Saint Boy kein anders Pferd zur Verfügung bekommen hatte, war für ihre Teammitglieder unverständlich – nur, wenn er mit Gubaydullina einmal mehr verweigert hätte, hätte man auf ein Ersatzpferd zurückgreifen dürfen. „Wir können uns nicht erklären, warum sie auf kein anderes Pferd umsteigen konnte, und sind natürlich fassungslos“, meinten Lena Schöneborn und Patrick Dogue. Bundestrainerin Kim Raisner fand es ebenfalls in dieser Situation „unfair, dass man dieses Pferd nehmen hätte müssen“.

Doch auch unter Fans wird hitzig über dieses Vorkommnis diskutiert. Dass das Vorgehen für die Sportler unfair ist, steht auf der einen Seite, doch die Kritik am mangelnden Tierwohl bestimmt das Geschehen. Nicht nur Saint Boy schien komplett überfordert mit der Situation, auch andere Pferde machten einen schlechten Eindruck. Außerdem war in der Live-Übertragung auch die Trainerin zu hören, die Schleu mehrmals dazu aufforderte, „richtig draufzuhauen“ – ein großer Aufschrei unter Tierrechtlern machte sich breit. Auch die siebenmalige Dressur-Olympiasiegerin Isabell Werth äußerte sich zu dieser Debatte – Reiten habe „nichts mit Fünfkampf zu tun“.

Eines jedenfalls wird deutlich: In der jetzigen Form wird der Reitsport im Modernen Fünfkampf wohl keine Zukunft haben – zu groß sind die damit verbundenen Schwierigkeiten. Änderungen sind zwingend nötig, wenn diese Sportart dem olympischen Programm erhalten bleiben soll. Denn seit geraumer Zeit zählt der Fünfkampf zu den Streichkandidaten, insbesondere im Vorfeld dieser Spiele gab es Gerüchte, dass dieser nicht mehr dabei sein sollte. Dieser Tag war sicherlich keine gute Werbung für diese eigentlich so interessante Sportart. Ob es 2024 in Paris erneut Olympiasieger im Modernen Fünfkampf geben wird, ist offen – Verbesserungen sind aber definitiv essenziell.

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